Graf Szécsen an Grafen Berchtold
Telegramm Nr. 122 Aufg. 7 Uhr 40 M. p. m. Chiffre
Serbien.
Hiesige Zeitungen haben zu unserer Demarche noch wenig Stellung genommen.
Ich bin bemüht, auf die Presse beruhigend einzuwirken und sie von einer Stellungnahme zu
Gunsten Serbiens abzuhalten, indem ich hervorhebe, daß die serbische Antwort noch nicht
erflossen sei und unsere weiteren Absichten, die eben von dieser Antwort abhängen, auch noch
nicht bekannt sind. Zeitungen könnten sich daher nur expektativ verhalten.
Herr Pichon (jetzt »Petit Parisien«) teilt diese Ansicht und versprach mir, durch Herrn
Berthelot, mit dem er sehr befreundet ist, in diesem Sinne auf die Presse wirken zu lassen.
Pichon äußerte sich übrigens ziemlich in gleichem Sinne wie der Justizminister Baron
Schoen gegenüber. Er frug mich mit einiger Besorgnis, ob man in Berlin sehr kriegerisch sei. Ich
sagte, daß man in Berlin meines Wissens die Richtigkeit unseres Standpunktes rückhaltlos
anerkenne und lebhaft wünsche, daß Serbien unseren Wünschen in allem Rechnung trage. Man
betrachte aber die Sache als eine rein österreichisch-ungarisch-serbische Angelegenheit und
wünsche, daß, wie immer sie sich gestalten möge, sie als solche lokalisiert bleibe. Herr Pichon
bemerkte hierauf, daß, wenn man in Berlin keinen Krieg wolle, der Friede erhalten bleiben werde.
Frankreich sei ganz friedlich gesinnt, und er glaube, daß auch die russische Regierung trotz der
bedauerlichen Agitation der Panslawisten absolut keine kriegerischen Absichten habe.
Pichon hat natürlich noch vielfache Beziehungen und einen gewissen Einfluß im
Ministerium des Äußern.
Soviel ich erfahre, war bis heute abends noch keine Information aus Petersburg über
dortige Stellungnahme eingetroffen.
Return to World War I Document Archive
Comments, corrections and suggestions are welcome:
Jane Plotke (content) or Richard Hacken (form).
Last Updated: June 16, 1997.