Graf Mensdorff an Grafen Berchtold
Telegramm Nr. 109 Aufg. 8 Uhr 48 M. p. m. Chiffre
Ultimatum an Serbien.
Mein deutscher Kollege hat mit Sir E. Grey gesprochen und ihm instruktionsgemäß den
Standpunkt deutscher Regierung mitgeteilt.
Staatssekretär äußerte sich sehr perplex und beunruhigt. Es sei noch nie in so einem Tone
zu einem unabhängigen Staate gesprochen worden. Er kritisierte Form noch mehr als Inhalt, kurze
Frist mache jede Einwirkung unmöglich. Wenn deutsche Regierung darauf einginge, möchte er
gemeinschaftlich mit ihr kurze Fristerstreckung vorschlagen, um noch etwas zu versuchen.
Wenn es nur eine österreichisch-ungarisch-serbische Frage wäre, würde sich
Staatssekretär nicht weiter darum kümmern. Er wisse noch nichts von Petersburg, wenn aber
Slawen sympathische Strömung einsetze, könne er mit Ratschlägen nichts ausrichten.
Geheim
Deutscher Botschafter resümierte seine Unterredung dahin, daß Sir E. Grey sich mit
deutscher Regierung im Wunsch begegne, Konflikt zwischen uns und Serbien zu lokalisieren.
Sollte Konflikt zwischen uns und Rußland entstehen, würde er an eine Vermittlung à
quatre (England, Deutschland, Frankreich, Italien) zwischen Wien und Petersburg denken.
Tyrell sagte Lichnowsky, es sei undenkbar, daß Serbien annehme, Österreich-Ungarn
unterschätze Serbien und werde sich dort verbluten; Haltung Rumäniens würde voraussichtlich
sehr feindselig sein.
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Jane Plotke (content) or Richard Hacken (form).
Last Updated: June 16, 1997.