Graf Szögyény an Grafen Berchtold
Telegramm Nr. 290 Aufg. 8 Uhr 45 M. p.m. Chiffre - Streng vertraulich
Serbien.
Staatssekretär las mir Chiffretelegramm deutschen Botschafters Petersburg über seine
Unterredung (nach Überreichung unserer Note) mit Sazonow vor.
Letzterer äußerte sich in »maßlosen Ausfällen« gegen Österreich-Ungarn.
Die rechtliche Frage müsse von der politischen vollkommen getrennt werden, dann könne
Serbien eventuell in den bewiesenen rechtlichen Fragen nachgeben.
Die Resultate unserer gerichtlichen Untersuchung scheinen ihm (Sazonow) aber mehr als
zweifelhaft.
Die ganze Frage müsse vor die Großmächte zur Überprüfung gebracht werden. Serbien
hätte sich nicht Österreich-Ungarn, sondern allen Großmächten gegenüber im Jahre 1909
verpflichtet, also sei Angelegenheit eine internationale und nicht eine zwischen Österreich-Ungarn
und Serbien allein zu regelnde. Die Monarchie wolle Ankläger und Richter zugleich sein, dies sei
unstatthaft etc.
»Wenn Österreich-Ungarn Serbien verschlinge«, so sagte weiter Sazonow, so müsse
Rußland absolut eingreifen.
Aus letzterer Äußerung »verschlingen« und Wunsch, Angelegenheit vor europäischen
Areopag zu bringen, schließt Graf Pourtalès, daß Rußland vorderhand keine kriegerische Aktion
unternehmen werde.
Deutscher Botschafter trat, laut Inhalt vorgelesenen Telegrammes, allen Angriffen
Sazonows auf unsere Handlungsweise energisch entgegen, brachte auch monarchisches Prinzip
vor, worauf russischer Minister des Äußern antwortete, »das habe mit monarchischem Prinzip gar
nichts zu tun, das sei eine politische Frage«.
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Last Updated: June 18, 1997.