B e r l i n , den 27. Juli 1914
Aufg. 9 Uhr 15 M p. m.
Eingetr. 9 Uhr • / . a. m. 28./7.
Staatssekretär erklärte mir in streng vertraulicher Form sehr entschieden, daß in der nächsten Zeit eventuell Vermittlungsvorschläge Englands durch die deutsche Regierung zur Kenntnis Euer Exzellenz gebracht würden.
Die deutsche Regierung versicherte auf das Bündigste, daß sie sich in keiner Weise mit den Vorschlägen indentifiziere [sic], sogar entschieden gegen deren Berücksichtigung sei und dieselben, nur um der englischen Bitte Rechnung zu tragen, weitergebe.
Sie gehe dabei von dem Gesichtspunkte aus, daß es von der größten Bedeutung sei, daß England im jetzigen Momente nicht gemeinsame Sache mit Rußland und Frankreich mache. Daher müsse alles vermieden werden, daß der bisher gut funktionierende Draht zwischen Deutschland und England abgebrochen werde. Würde nur Deutschland Sir E. Grey glatt erklären, daß es seine Wünsche an Österreich-Ungarn, von denen England glaubt, daß sie durch Vermittlung Deutschlands eher Berücksichtigung bei uns finden, nicht weitergeben will, so würde eben dieser vorerwähnte unbedingt zu vermeidende Zustand eintreten.
Die deutsche Regierung würde übrigens bei jedem einzelner derartigen Verlangen Englands in Wien demselben auf das Ausdrücklichste erklären, daß es in keiner Weise derartige Interventionsverlangen Österreich-Ungarn gegenüber unterstütze und nur, um Wunsch Englands zu entsprechen, dieselben weitergebe.
So sei bereits gestern die englische Regierung durch den deutschen Botschafter in London und direkt durch ihren hiesigen Vertreter an ihn, Staatssekretär, herangetreten, um ihn zu veranlassen, den Wunsch Englands betreffs unserseitiger Milderung der Note an Serbien zu unterstützen. Er, Jagow, habe darauf geantwortet, er wolle wohl Sir E. Greys Wunsch erfüllen[,] Englands Begehren an Euer Exzellenz weiterzuleiten, er selbst könne dasselbe aber nicht unterstützen, da der serbische Konflikt eine Prestigefrage der österreichisch-ungarischen Monarchie sei, an der auch Deutschland partizipiere.
Er, Staatssekretär, habe daher die Note Sir E. Greys an Herrn von Tschirschky weitergegeben, ohne ihm aber Auftrag zu erteilen, dieselbe Euer Exzellenz vorzulegen; darauf hätte er dann dem englischen Kabinett Mitteilung machen können, daß er den englischen Wunsch nicht direkt ablehne, sondern sogar nach Wien weitergegeben habe.
Zum Schlusse wiederholte mir Staatssekretär seine Stellungnahme und bat mich, um jedwedem Mißverständnisse vorzubeugen, Euer Exzellenz zu versichern, daß er auch in diesem eben angeführten Fall, dadurch, daß er als Vermittler aufgetreten sei, absolut nicht für eine Berücksichtigung des englischen Wunsches sei.