Herr von Mérey an Grafen Berchtold
Telegramm Nr. 535 Aufg. 4 Uhr 30 M. p. m. Chiffre
Graf Ambrózy hat Abschrift des Erlasses an mich vom 20. 1. M. Nr. 3402(1) nach erfolgter
Korrektur des Zeitpunktes des Ablaufens der Frist samt Beilage heute um 11 Uhr 30 Minuten
vormittags in Abwesenheit des Ministers des Äußern und des Unterstaatssekretärs dem
Generalsekretär übergeben.
Letzterer machte bei Beginn der Lektüre die Bemerkung, es sei sehr geschickt, Note mit
der Zitierung der serbischen Note aus dem Jahre 1909 zu beginnen.
Im weiteren Verlaufe der Lektüre sagte er, persönlichen Charakter dieser Bemerkung
betonend, es schiene ihm, daß wir Serbien geradezu als Großmacht behandeln und daher uns
durch die in seinem Territorium betriebene Agitation als gefährdet erachten. Dies gab Graf
Ambrózy Gelegenheit, die im zitierten Erlasse gemachten Angaben über Verzweigung und Ziele
der »Narodna odbrana« zu verwerten.
Über die Publikation, die wir von Serbien verlangen bemerkte er, dieses Petitum könne
und müsse die Belgrader Regierung abnehmen.
Zu Punkt 4 unserer Forderungen meinte er, daß dessen Annahme der serbischen
Regierung schwer fallen würde.
Als er Notiz über Untersuchungsergebnis in Sarajevo gelesen hatte schien er sehr
überrascht.
Am Schlusse der Lektüre sagte er, wir scheinen an einem Wendepunkte der Geschichte
angekommen zu sein. Der Antwort Graf Ambrózys, er (De Martino) müsse den rein defensiven
Charakter unserer Aktion zu geben, stimmte er mit den Worten zu: Certainement, je n'aurais
jamais cru que l'on puisse constaer et prouver la culpabilité, d'officiers et de fonctioonaires serbes
dans le d,rame de Sarajévo.
Schließlich versicherte er, daß er die Abschrift der Note ehestens an Marquis San Giuliano
leiten werde.
Vor Graf Ambrózys Besuch hatte der Generalsekretär den russischen Botschafter
empfangen. Derselbe ging, als Ambrózy vorgelassen wurde, zu einem Referenten und hatte seinen
Hut und Stock im Vorzimmer gelassen. Es ist anzunehmen, daß De Martino ihm gleich nachher
den Text der Note, die inzwischen auch schon von der Agenzia Stefani gebracht wurde, gezeigt
hat.
1. Siehe I, Nr. 29.
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Last Updated: June 12, 1997.