Graf Szápáry an Grafen Berchtold(1)
Telegramm Nr. 159 Aufg. 8 Uhr ˇ/. M. p. m. Chiffre
Fortsetzung meines Telegrammes Nr. 157(2).
Das zur Verfügung der Regierung gehaltene Dossier betreffend meinte Herr Sazonow,
wozu wir uns diese Mühe gegeben hätten, wo wir doch bereits ein Ultimatum erlassen hätten.
Dies beweise am besten, daß wir eine unparteiische Prüfung des Falles gar nicht anstreben. Ich
sagte ihm, daß für unser Vorgehen in dieser zwischen Österreich-Ungarn und Serbien spielenden
Angelegenheit die durch unsere eigene Untersuchung erzielten Resultate genügen und wir nur
bereit seien, den Mächten weitere Aufschlüsse zu geben, weil wir nichts zu verstecken hätten, falls
dieselben sie interessieren.
Herr Sazonow meinte, jetzt nach dem Ultimatum sei er eigentlich gar nicht neugierig.
»C'est que vous voulez la guerre et vous avez brûlé vos ponts.«
Ich erwiderte, wir seien die friedliebendste Macht der Welt, was wir wollten, sei nur die
Sicherung unseres Territoriums vor der Revolution und unserer Dynastie vor Bomben.
»On voit comme vous êtes pacifiques puisque vous mettez le feu à l'Europe« meinte
Sazonow.
Was wir wollten, sei Ruhe zu haben, erwiderte ich, und meine Regierung habe die hiezu
zweckdienlichen Maßnahmen gewählt.
Auch den von mir auftragsgemäß mündlich vorzutragenden Kommentar härte der Minister
ruhig an, versuchte aber wieder die Ablehnung des letzten, den Königsmord betreffenden Passus.
An die Ausführung meines Auftrages knüpfte sich eine längere Diskussion, in welcher
Sazonow unter anderem unsere Politik dem Grafen Forgách unterschieben wollte, was mir
Gelegenheit gab, die versöhnliche Rolle dieses Funktionärs als Gesandter in Belgrad ins Licht zu
setzen. Auch nahm ich diesen Anlaß wahr, zu versuchen, dem Minister über den Friedjung-Prozeß, der hier wieder hervorgezerrt wird, klaren Wein einzuschenken. Im Verlaufe der weiteren
Erörterungen ließ Sazonow nochmals Bemerkung fallen, daß wir jedenfalls eine ernste Situation
geschaffen hätten. Rußland, Slawentum, Orthodoxie wurden von ihm nicht genannt; er sprach nur
immer von England, Frankreich, Europa und dergleichen und dem Eindruck, den unser Schritt
hier und anderwärts machen werde.
Trotz der relativen Ruhe des Ministers war seine Stellungnahme, wie kaum anders zu
erwarten, eine durchaus ablehnende und gegnerische. Nach eineinhalbstündigem Verweilen verließ
ich sein Arbeitskabinett.
1. Vgl. die Fassung im Österreichisch-ungarischen Rotbuch, Nr. 14.
2. Siehe II, Nr. 17.
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Jane Plotke (content) or Richard Hacken (form).
Last Updated: June 17, 1997.